TEST: Casio Celviano AP-300
Im Frühjahr 2024 haben wir die neue CELVIANO-Generation von Casio mit den Digitalpianos AP-750/AP-550 und AP-S450 bereits im Test vorgestellt (OKEY-Ausgabe 177). Mit dem AP-300 und der Slimline-Version AP-S200 rundet der Hersteller die Reihe jetzt nach unten hin ab und bietet zwei neue Einstiegsmodelle in die CELVIANO-Welt. Wir haben uns das AP-300 in unser Teststudio geholt und wollten wissen, wieviel CELVIANO man für unter 1.500,- Euro geboten bekommt.

Unser Testgerät war also das Cabinet-Modell AP-300. Mit dem AP-S200 bekommt man die gleiche Technik also alternativ auch in einem besonders kompakten Gehäusedesign. Ideal also für kleinere Wohnungen/Musikzimmer. Unsere Angaben in diesem Testbericht gelten also unter Berücksichtigung der Gehäuse-Unterschiede für beide Modelle. Zum Test stand uns wie gesagt das AP-300 zur Verfügung, an dem wir uns daher auch hier orientieren wollen.
Platzprobleme dürfte man aber auch mit dem AP-300 nicht bekommen, auch dieses Modell ist noch relativ kompakt und dürfte in jeder Studentenbude noch ein ausreichendes Plätzchen finden. Es handelt sich um ein elegantes Standmodell, das wahlweise in Schwarz, Weiß oder Braun (Kunststofffurnier) erhältlich ist. Ich finde die Proportionen sehr stimmig, mit den vorderen Beinen und dem zu öffnenden und arretierbaren Deckel oben sieht das Instrument trotz seiner Kompaktheit sehr „erwachsen“ aus. Der zu öffnende Deckel hat dabei aber keinesfalls nur optischen Wert, denn er gibt auch einen Teil der indirekten Abstrahlung aus dem Gehäuse heraus frei, ähnlich wie das auch bei einem Flügeldeckel der Fall ist, den man geschlossen oder aufgeklappt arretieren kann und der sich dabei auch auf den Klang auswirkt. Mit geschlossenem Deckel klingt es etwas gedeckter, mit geöffnetem Deckel räumlicher und brillanter. Und so verhält es sich auch beim CELVIANO. Doch zum Abstrahlsystem später noch mehr….
Schauen wir uns die Tastatur des AP-300 an: Während bei den größeren CELVIANO-Modellen Holz-Hybridtastaturen (Taste aus massivem Fichtenholz mit einem Kunststoffkern) eingesetzt werden, bleibt es bei der hier im AP-300 (und auch im AP-S200) verwendeten „Smart Scaled Hammer Action“ Tastatur bei Kunststoff-Tasten. Eine graduierte Gewichtung mit abnehmendem Tastenwiderstand zum Diskant hin bietet aber auch diese Tastatur. Die Tasten bieten außerdem für besseren „Grip“ etwas angeraute Oberflächen. Ich empfand die Tastatur beim Probespielen sehr überzeugend. Vor allem auch wegen der schnellen Reaktion und Rückstellung der Tasten. Schnelle Repetitionen sind hier besser zu spielen als bei den deutlich trägeren Tasten manch anderer Tastatur in dieser Klasse. Die Empfindlichkeit der Anschlagdynamik ist übrigens in mehreren Stufen an das eigene Anschlagverhalten anpassbar.
Zum Spiel-Interface gehören auch die Pedale: Auch hier gibt es nichts auszusetzen. Sie sind ausreichend dimensioniert und bieten einen gut dosierbaren Widerstand. Wichtig, da auch Halbpedal-Funktionalität beim Dämpfer und beim Sostenuto vorhanden ist, die Intensität des Effektes also in zwei Stufen dosierbar ist.

Bei der Tonerzeugung des AP-300 und damit auch des AP-S200 setzt Casio wie bei den größeren Modellen bis zum AP-550 auf die Multi-Dimensional Morphing AiR Sound Source und verspricht einen besonders kraftvollen, eleganten Klavierklang mit einer großen dynamischen Bandbreite. Diese grundsätzlich sample-basierte Tonerzeugung bietet zusätzlich auch Modeling-Elemente. So lassen sich verschiedene klangbestimmende Parameter wie etwa die Saiten- und Dämpferresonanz, das Dämpfergeräusch (entsteht beim Niederdrücken des Pedals durch die Freigabe der Saiten), die Tastengeräusche beim Niederdrücken und Loslassen sowie der Deckel-Simulator (emuliert die verschiedenen Klangeindrücke geschlossenem, halb bzw. ganz geöffnetem oder auch komplett entfernten Flügeldeckel) individuell einstellen. Casio fasst diese einstellbaren Parameter unter dem Begriff „Akustik Simulator“ zusammen.
Während in den größeren CELVIANO-Modellen gleich zwei oder mehr verschiedene Basis-Pianosamples zur Verfügung stehen, müssen wir uns hier beim AP-300 und dem Slim-Line-Schwestermodell mit einem Grand Piano-Klang begnügen. Aus diesem Klang werden drei verschiedene Varianten, „Concert“, „Bright“ und „Mellow“ generiert. Dazu kommen weitere Piano- und E-Piano-Klangfarben, sowie auch einige weitere Sounds wie Vibraphone, Cembalo, Streicher und Orgeln. Insgesamt stehen im AP-300 und im AP-S200 damit 19 Klangfarben zur Verfügung. Die E-Pianos haben mir dabei auch gut gefallen und insbesondere auch der sehr liebliche Streichersound 1. Er eignet sich nicht nur als Hintergrund für das Klavierspiel, sondern macht auch für sich allein gespielt viel Spaß! Was ich gern noch gehabt hätte, wären ein, zwei Synthesizer-Pads, die man auch gut mit den akustischen oder E-Pianos hätte kombinieren können. Dafür hätten die Orgelsounds auch Platz machen können, der recht künstliche Rotoreffekt lässt hier doch eher nur verhaltene Freude beim Organisten aufkommen.
Wie soeben schon angedeutet: Man kann beim AP-300 auch zwei Klänge im Layer- Modus kombinieren. Casio nennt dies in der Bedienanleitung einen „Mischklang“. Die Lautstärken der beiden Parts lassen sich selbstverständlich individuell einstellen, außerdem kann der Part 2 auch vom Dämpfer-Pedal heruntergeschaltet werden. Das macht Sinn, damit z.B. die Streichernoten bei Pianospiel mit getretenem Dämpfer nicht ineinander wischen. Kleiner Verbesserungs-Tipp: Super wäre es, wenn man bei dieser Spielweise auch noch die Anschlagdynamik für den 2. Part abstellen könnte. Dann würde der Background-Klang nicht die volle Dynamikbewegung des Hauptklanges (in der Regel sicher ein Piano) mitmachen, sondern immer schön im Hintergrund bleiben.
Auch ein Split der Tastatur in Upper und Lower Parts ist möglich, allerdings nur in Verbindung mit einer Bass-Klangfarbe im Lower-Bereich. Man kann also z.B. oben Piano spielen und sich in der linken Hand mit einem Bass begleiten. Und auch die Duett-Funktion beherrschen das AP-300 und damit auch das AP-S200: Die Tastatur wird in zwei Bereiche mit gleichem Klang und gleicher Tonlage geteilt, so dass zwei Personen gleichzeitig auf dem Instrument spielen können, also z.B. Klavierlehrer und Schüler im Unterricht.
Kommen wir zum Abstrahlsystem des AP-300 und auch zu den Akustik-Effekten. Das akustische Piano hat ja nun mal die Besonderheit, dass das gesamte Instrument inklusive Gehäuse zum Klangkörper gehört. Das gesamte Gehäuse ist an der Wiedergabe des Klanges beteiligt und interagiert dabei auch akustisch mit dem Raum, in dem das Klavier bzw. der Flügel gespielt wird. Diese Eigenschaften versuchen die Digitalpiano-Hersteller neben der weiteren Perfektion der eigentlichen Klänge bzw. der jeweiligen Tonerzeugung inzwischen auch nachzubilden. Der Ansatz liegt hier vor allem bei den im Instrument verbauten Lautsprecher-Systemen, die im Idealfall die Illusion eines mehrdimensionalen Pianoklanges, der aus dem gesamten Gehäuse kommt, bietet. Casio hat dem aktuellen CELVIANO-Topmodell AP-750 dazu das sog. „Grandphonic Sound“ Abstrahlsystem verpasst, das mit 4 Kanälen und insg. 8 Lautsprechern im Gehäuse arbeitet, die so positioniert sind, dass verschiedene Klanganteile an verschiedenen Gehäusepositionen abgestrahlt werden, wodurch der Spieler bzw. die Spielerin einen dreidimensionalen Klangeindruck bekommen soll, der dem entspricht, was man auch an einem mechanischen Flügel erfahren würde.
Bei den kleineren CELVIANO-Modellen wie auch hier beim AP-300 kommt eine Abstrahlung nach ähnlichen Prinzipien, aber doch in abgespeckter Version zum Einsatz. Beim AP-300 sind es nur zwei Lautsprecher, die von einem 2 x 20 Watt Verstärker angetrieben werden. Allerdings wurden diese beiden Lautsprecher auch so geschickt im Gehäuse platziert, dass der Klang in mehrere Richtungen aus dem Gehäuse kommt. Die Lautsprecher strahlen nach unten hin aus dem Spieltisch heraus, zusätzlich sind rechts und links oberhalb der Tastatur Schallaustrittsschlitzen vorhanden, und zusätzlich gibt es zwei (abgedeckte) Öffnungen für den Schallaustritt rechts und links unterhalb des oberen Gehäusedeckels.
Ich war angenehm überrascht, wie gut das AP-300 die gestellte Aufgabe eines räumlichen Klanges mit dieser Bestückung im Test meistern konnte. Man erlebt wirklich einen räumlichen Klang, der von „überall her“ aus dem Gehäuse zu kommen scheint. Er ist dabei auch kräftig und hat Volumen, allenfalls im unteren Frequenzkeller gibt es dann doch Grenzen bei den eingesetzten Breitband-Speakern. Das merkt man, wenn man einmal richtig in die Basssaiten haut, da fehlen dann ein paar Frequenzen. Aber gut, die Physik kann man eben nicht überlisten, und das ist bei anderen Digitalpianos mit vergleichbar dimensionierter Abstrahlung auch nicht anders.
Zum Raumeindruck tragen neben der geschickten Lautsprecherpositionierung aber auch die Effekte mit bei. Neben einem Hall (Reverb) ist hier besonders der sog. „Hall-Simulator“ zu nennen. Hierbei handelt es sich um imaginäre Hallräume, die realen Vorbildern nachempfunden sind. So finden wir hier Presets wie N.Y: Club, Opera Hall, Berlin Hall oder British Stadium. Die Bezeichnungen verraten schon, was jeweils an Akustik-Effekt zu erwarten ist. Diese Effekte lassen sich allein oder auch in Kombination mit dem normalen Hall-Effekt verwenden. Ein Surround-Effekt ist außerdem zuschaltbar, der macht das Klangbild aber nach meinem Geschmack doch eher unnatürlich in der Raumwirkung. Verschiedene Chorus-Effekte sind ebenfalls zuschaltbar. Hiermit lassen sich z.B. die E-Pianos gut veredeln.

Unterseite des AP-300
Die Bedienung des CELVIANOS erfolgt zum einen über eine Gruppe von Touch Buttons auf dem linken Seitenprofil, zum anderen über den Abruf von Funktionen und Parametern über die Klaviaturtasten in Verbindung mit den Buttons links auf dem Bedienpanel. Die Touch Buttons werden nur illuminiert, wenn sie benötigt werden, ansonsten erlischt die Beleuchtung nach einigen Sekunden (die Zeit ist einstellbar) wieder. So folgt man dem Trend, das digitale Piano möglichst wenig „digital“ aussehen zu lassen. Die verschiedenen Klangfarben selbst sind an der entsprechenden Position der Tastatur oberhalb aufgedruckt. Die Auswahl ist möglich, wenn man den Button „Grand Piano“ links auf dem Profil gedrückt hält und gleichzeitig die entsprechende Klaviaturtaste zur Klanganwahl betätigt. Tippt man einfach nur auf „Grand Piano“, kann man dadurch jederzeit zum Haupt-Flügelklang des CELVIANO zurückkehren.
Weitere Buttons links dienen zur Steuerung des Songplayers bzw. -recorders – das AP-300 kann sowohl MIDI-Aufnahmen (2 Spuren) durchführen bzw. wiedergeben, als auch (auf USB-Speichermedium) Audiodateien im WAV-Format (44,1 kHz, 16 Bit). Die Akustikeffekte Reverb und Hall-Simulator lassen sich über einen weiteren Taster ein- und ausschalten bzw. kombinieren. Die Effektauswahl erfolgt in Verbindung mit diesem Taster ebenfalls über die Tastatur. Weitere Taster dienen zur Auswahl von Funktions-Parametern (ebenfalls auf der Tastatur verteilt) und für das Metronom.
Diese Art der Bedienung über die Klaviatur kennt man auch von vielen Mitbewerbern. Komfortabel fand ich das nie, aber es gibt ja auch eine viel elegantere Alternative: Die Casio „Music Space“ App für iOS oder auch Android-Mobilgeräte. Casio liefert das AP-300 dazu mit einem per USB an das Piano ansteckbaren Bluetooth-Funkadapter aus, der sowohl Audio-Streaming vom Mobilgerät auf das Piano zulässt, als auch Bluetooth MIDI für die Kommunikation zwischen dem CELVIANO und der App auf dem Tablet/Smartphone. Ich habe die App auf meinem Android Phone installiert und direkt problemlos damit loslegen können. Die Music Space enthält verschiedene Bereiche von Notendarstellung über einen Audioplayer bis hin zu einem „Concert Simulator“, der das eigene Spiel mit der Akustik eines Live-Auftritts von Club bis Stadion umgarnt – ein netter Gag. Aber viel wichtiger: Das CELVIANO lässt sich vollständig über die App bedienen. Und das gilt selbst vom Smartphone-Display aus weitaus komfortabler als über die Buttons und die Tastatur am Instrument selbst. Wer ein Tablet mit entsprechend größerem Display verwendet, der wird noch mehr Spaß bei der Bedienung seines Casio Pianos haben. Also auf jeden Fall die App installieren, sie ist kostenlos in den entsprechenden App-Stores verfügbar!
Claus Riepe
FAZIT:
Mit dem AP-300 Kabinett-Modell und dem AP-S200 Slim-Line-Modell ergänzt Casio seine aktuelle CELVIANO-Generation mit zwei stimmigen Einstiegsmodellen: Die beiden Pianos bieten die wesentlichen Gene der CELVIANO Reihe, konzentrieren sich dabei auf das Wesentliche und stellen damit eine preislich interessante Alternative dar. Der Klavierklang ist sehr gut und gewinnt durch die pfiffige räumliche Abstrahlung. Dazu kommen sinnvolle Funktionen, für deren Bedienung man aber unbedingt zur kostenlosen „Music Space“ App greifen sollte, damit es richtig Spaß macht. Dann hat man ein schon sehr vielseitiges, gut klingendes und dabei bezahlbares Digitalpiano, an dem man als Anfänger/in wie auch als bereits fortgeschrittene/r Pianist/in lange Freunde haben wird.
STECKBRIEF CASIO CELVIANO AP-300:
Tastatur: Casio Smart Hammer Action, graduierte Gewichtung
Tonerzeugung: Casio AiR Grand Multidimensional Sampling
Polyphonie: 192-stimmig
Anzahl Sounds: 19
Gleichzeitig spielbare Sounds: 2 (Layer, Split)
Effekte: Hall-Simulator, Surround. Chorus, Brillanz
Recorder/Player: MIDI-Aufnahme 2 Spuren, Instant Replayer (kontinuierliche Aufnahme als „Notizbuch“), Audio-Record/Play auf/von USB-Stick, 60 vorinstallierte Pianosongs
Besonderheiten: Akustiksimulator für Grand Piano Sound: Einstellmöglichkeiten für Saitenresonanz, Dämpferresonanz, Tastendruck- und Loslassgeräusch, Deckelsimulator, Bluetooth Adapter im Lieferumfang für App-Steuerung über Casio Music Space App, Bluetooth Audio Streaming
Abstrahlung: 2 x 20 Watt, 2 Lautsprecher
Anschlüsse: 2x Kopfhörer, USB A und B, Pedal-Einheit
Ausführungen: AP-300: Kabinett-Gehäuse AP-S200: Slim-Line Gehäuse, Farben (beide Modelle): Schwarz, Weiß, Braun
Maße / Gewichte: AP-300:1401 x 440 x 869 mm, 47,1 kg AP-S200: 1393 x 299 x 802 mm, 34 kg
Preise (Straßenpreis/UVP): AP-300: 1.330,- EUR / 1.449,- EUR AP-S200: 1.099,- EUR / 1.149,- EUR
Internet: www.casio.de
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