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Test: VirSyn XinematiX Soundapp für iPad

Als Klangerzeuger macht das Apple iPad inzwischen eine überaus professionelle Figur und die Möglichkeiten reichen schon längst an das heran, was man auf ausgewachsenen Desktop-Rechnern mit Plug-Ins usw. realisieren kann. Eine weitere hochinteressante App steht nun zur Verfügung – und die Namen hinter den Klängen in dieser App bürgt für Qualität. Es sind niemand geringere als Kurt Ader und Oliver Rehn von KARO Sound Development.  Der ausführliche Test von Claus Riepe aus der OKEY Nr. 174 (September/Oktober 2023) zeigt, was man von XinematiX erwarten kann. 

Die XinematiX App stammt aus der Feder des App-Programmierers Harry Gohs, der auch schon für verschiedene Software-Synths und weitere Apps für Apple Mobilgeräte verantwortlich zeichnet. XinematiX läuft sowohl auf iPhone- wie auch auf iPad Geräten. Das Sound- und Sample-Material zu XinematiX steuerte der bekannte Soundprogrammierer Kurt Ader bei, der neben verschiedenen Korg-Instrumenten wie der Kronos-Workstation auch schon viele weitere Synths und Workstations mit seinen Klängen „gepimpt“ hat. 

Die XinematiX App erlaubt es, bis zu drei Sounds gleichzeitig zu erzeugen. Diese 3 Klänge können dann mittels eines großen Schiebereglers auf dem Tablet entweder als Layer zusammengemischt oder auch von einem zum anderen Sound hin und wieder zurück durch-„fahren“ werden, die einzelnen Klänge blenden dabei ineinander über (Morphing). Zur Unterscheidung sind die drei Sounds mit Farben gekennzeichnet, man „morpht“ bzw. layert vom „roten“ über den „grünen“ zum „blauen“ Sound und wieder zurück. Hierdurch entstehen je nach den gewählten Einzelklängen vielseitige und komplexe Klanggebilde, die der App auch zu ihrem Namen verholfen haben. Denn das Ganze kann wirklich sehr „cineastisch“ klingen – großes Sound-Kino also! Der Überblendregler kann dabei natürlich nicht nur am Tablet-Display bewegt, sondern dank MIDI-Learn auch mit einem beliebigen externen MIDI-Controller gesteuert werden. Das gilt im Übrigen auch für die 6 Drehregler, die wir im Display rechts und links von dem zentralen runden Element finden (auf letzteres gehe ich noch ein). Die 6 Regler können zur Kontrolle verschiedener Echtzeit-Soundparameter (Filter, Lautstärke, Hüllkurve usw.) genutzt werden. Einfach etwas länger auf den gewünschten Regler tippen, schon öffnet sich ein kleines Fenster. Jetzt kann entweder ein Controller via MIDI gesendet und der gewählten Funktion zugewiesen oder auch aus einer Liste die Controller-Nummer ausgewählt werden, über die man die Funktion steuern möchte. 

Spielen lässt sich XinematiX übrigens auch direkt am Mobilgerät. Dazu gibt es eine virtuelle Tastatur, die auf dem Tablet auch ständig vorhanden ist, beim iPhone dagegen nur dann eingeblendet werden kann, wenn man sie wirklich braucht. Der Tastenbereich kann jeweils nach oben/unten verschoben werden, um den gewünschten Ausschnitt im Display zur Verfügung zu haben.

Multi-Anwahl in XinematiX

Die oben beschriebenen Kombinationen aus bis zu 3 Sounds bilden in der XinematiX App ein sog. Multi. Die App kann via MIDI im Omni-Mode (auf allen Kanälen) oder über einen wählbaren einzelnen Kanal angesprochen werden. Dabei kann natürlich auch die Auswahl der Multis via MIDI erfolgen. Aber die App ist nicht multitimbral: Man kann also die Einzelsounds in den drei Slots eines XinematiX Programs nicht getrennt via MIDI auswählen, sondern nur die Gesamt-Programme/Multis! Das macht angesichts der Architektur der App aber auch Sinn, denn die Interaktion bestimmter Einzelsounds innerhalb eines Multis und die Layer- bzw. Morphing-Möglichkeiten sind ja gerade die Idee und das grundsätzliche klangbestimmende Element der App. Den Regler zum Layern bzw. Morphen der bis zu drei einzelnen Sounds im Multi kann man selbstverständlich via MIDI steuern, ebenso wie alle übrigen klanggestaltenden Parameter, hierfür stehen entsprechende MIDI-Learn-Funktionen zur Verfügung. 

Eine nette Spielerei: Die App bietet eine Art Zufallsgenerator für Multis: Tippt man auf das Würfel-Symbol oberhalb der virtuellen Tastatur, werden zufällige Kombinationen aus den zur Verfügung stehenden Sounds zusammenge“würfelt“. Das kann sinnvolle oder auch weniger brauchbare Kombinationen ergeben. Einfach mal probieren und sich inspirieren lassen…

Sehr interessant, wenn man über ein entsprechendes MIDI-Instrument zum Spielen der App verfügt: XinematiX unterstützt den MPE-Standard (MIDI Polyphonic Expression)! Wer die App über ein entsprechendes Controller-Instrument wie den Osmose-Synthesizer von Expressive E oder das Roli Seaboard spielt, kann diese ausdrucksstarken Funktionen nutzen und die drei Einzelsounds einer Kombi z.B. pro Taste unterschiedlich abmischen! Für die Steuerung durch den Osmose Synth bietet die App sogar eine passende MIDI-Preset-Einstellung an. 

Die App bietet einen sog. Live Modus. Aktiviert man diesen über eine Schaltfläche oberhalb der Tastatur, erhält man Zugriff auf insg. 8 Displayseiten mit jeweils 16 großflächigen, farbigen Touchpads, die man beliebig mit seinen Multis belegen und somit im Live-Einsatz schnell und sicher darauf zugreifen kann. Die Farbgebung der einzelnen Felder kann man selbst festlegen, so lässt sich die ganze Liste nach Bedarf für einen schnellen Zugriff individuell visuell einteilen, sehr praktisch! 

Weniger praktisch dagegen: Die gespeicherten Multis merken sich nicht die Position des halbkreisförmigen Mix-Reglers und auch nicht den gewählten Soundmodus Layer bzw. Morphing. Diese Einstellungen bleiben beim Wechsel der Multis dagegen wie beim zuvor verwendeten Multi und müssen manuell geändert werden. Das kann durchaus auch mal sinnvoll sein, aber in bin sicher, dass man überwiegend auf Programme zurückgreifen wird, die hier unterschiedliche Einstellungen erwarten bzw. benötigen. Dass man hier grundsätzlich manuell nachregeln muss, führt das Prinzip des schnellen Abrufs vorgespeicherter Einstellungen doch etwas ad absurdum. Ideal wäre, wenn man selbst festlegen könnte, ob die Mischung bzw. der Soundmodus aus den Multis übernommen oder manuell festgelegt werden soll. 

XinematiX bringt über 25 GB an Soundmaterial auf das Tablet – zumindest, wenn man alle verfügbaren Libraries für die App kauft und installiert. Die eigentliche XinematiX App ist kostenlos, kommt aber zunächst auch nur mit lediglich 4 Sounds daher. Alle weiteren Klänge muss man via In-App Kauf erstehen und dann in die App downloaden. Und da gibt es eine ganze Menge an Material: Wer alle 62 Soundpakete für XinematiX installiert, der kommt auf sage und schreibe 990 Soundprogramme…und ist dann aber auch um einiges an Budget ärmer. Denn ganz billig ist der Spaß nicht. Rechnet man die Preise aller Soundpakete zusammen, kommt man über die 1000 Dollar Marke. Das ist schon eine Hausnummer und für das App-Universum schon eher ungewöhnlich! Entsprechende Kritik war hier und da online auch bereits zu lesen. Der Hersteller hat aber inzwischen reagiert: Beim Kauf einzelner Pakete werden dem User Bonuspunkte gutgeschrieben, die die Preise weiterer Käufe reduzieren. So kommt man beim Kauf aller Pakete auf einen ordentlichen Rabatt und einen Preis von knapp über 500,-Euro für das Gesamtpaket. Das ist schon sehr fair. Die Preise der einzelnen Pakete bewegen sich je nach Umfang zwischen 9,99 und 24,99 Dollar. Man muss man ja auch nicht alles erstehen, sondern kann sich das auswählen, was man wirklich braucht. Und wer erst einmal durchtesten möchte, was es so gibt: Alle Soundpakete kann man bis zu 7 Tage kostenlos testen! 

Will man XinematiX mit der kompletten Sound-Ausstattung benutzen, sollte aber auch das verwendete Tablet potent sein. Mit 25 GB Samplematerial sind die Anforderungen an den Speicher bei Vollausstattung der App durchaus üppig. Ein 64 GB iPad, auf dem vielleicht noch einiges mehr an Apps läuft, kann da schon mal an die Grenzen kommen. Ich musste auf meinem iPad pro von 2017 auch zunächst etwas Platz machen und Apps auslagern, bevor ich die mir freundlicherweise überlassene vollständige Testversion der App inkl. aller Soundpakete vollständig installieren konnte. Sofern man nur eine Auswahl der verfügbaren Klänge verwenden will, reduziert sich der Speicherbedarf der XinematiX App natürlich entsprechend. 

Hermode Tuning und das Einladen der einzelnen Soundpakete in XinematiX

Das Soundangebot für XinematiX ist üppig! Alle wichtigen Bereiche werden abgedeckt. Wir finden verschiedene Instrumental- und Orchester-Pakete oder Chöre ebenso wie eine Hülle und Fülle von Synthesizer-, Pads, Phantasie- und Effektklängen. Meine Favoriten fand ich bei den m.E. sehr gelungenen Streichern, den vielen Ambient-Sets, den Bläsersätzen wie Hörnern, oder auch den Chören. Hier gibt es z.B. Staccato Chöre, die je Ton abwechselnd verschiedene Silben singen, das aber so dezent, dass man sie als zusammenhängenden Sound verwenden kann, der dadurch sehr realistische Akzente bekommt. Damit mal die Musik aus dem „Herrn der Ringe“ spielen… Ein Traum! Die Synth- und Padsounds machen ebenfalls Spaß und durch die Morph- und Layermöglichkeit (standardmäßig ist der Schieberegler dafür übrigens dem Modulations-Controller zugewiesen, kann also in der Regel sofort mit dem entsprechenden Wheel am Midi-Keyboard gesteuert werden) kann man tolle Realtime-Klangveränderungen erzeugen. 

Die Handschrift von KARO Sound Development ist auf jeden Fall erkennbar, und die Firma von Kurt Ader gehört nicht umsonst international zu den meistbeschäftigten Unternehmen ihrer Zunft. Klar ist auch nicht jeder Sound in der App ein High-End Exemplar, und hier spielen natürlich auch persönliche Geschmäcker eine Rolle. Die Solo-Bläser oder die Gitarren fand ich z.B. gut, aber sie haben auch keinen Whow-Effekt bei mir erzeugt. Insgesamt kann man aber attestieren, dass das Soundniveau der App sehr hoch ist. Und die App ist ein sehr beeindruckendes Beispiel dafür, dass solche Soundlibraries auf dem Tablet in Qualität und Umfang heute vielen Desktop-Plugins in nichts mehr nachstehen! Dazu kommt die für iPad Apps typische Übersichtlichkeit und Einfachheit in der Bedienung, die es selbst Neueinsteigern in die Welt der Software-Instrumente relativ einfach macht, mit solchen Medien zu arbeiten bzw. zu musizieren. Vom Komfort-Faktor mal abgesehen. Man braucht nur das handliche iPad, ein kleines Midi-Controller-Keyboard (das ist dann doch was anderes als die Display-Tastatur) und schon kann man losspielen.

Es gibt allerdings auch Klanggruppen, die man nicht findet in der App. So wird man z.B. Saxofone, Tonewheel-Orgeln oder auch Drums in dieser App vergeblich suchen. Aber es ist auch nicht der Anspruch von XinematiX, ein vollständiger GM-Player zu sein. Wer sowas sucht, der ist hier definitiv falsch! Dafür kann die App in vielen Bereichen einfach eine große Anzahl sehr hochwertiger, realistischer, aber auch phantasievoller und durchweg professioneller Klänge und Klangtexturen bieten, die sich zudem vielfältig, aber dabei sehr einfach und intuitiv verändern lassen, auch im Livespiel. So lassen sich spannende, sphärische, verträumte oder auch geradezu dramatische Klangwirkungen erzeugen. Die Assoziation, die der Name „XinematiX“ unweigerlich weckt, ist hier durchaus Programm. Wer seiner Musik einen Hauch von Soundtrack—Atmosphäre verleihen, oder gar gleich solche Musik spielen bzw. produzieren möchte, der kommt hier absolut auf seine Kosten. Apropos Kosten: Ich finden nach dem Test, dass sich die schon angesprochene Kostenstruktur angesichts der Qualität der Klänge durchaus relativiert. Man vergleiche mit den Kosten mancher Hardware-Soundmodule oder auch anderer Software-Produkte dieser Art. Zumindest mit der Einführung der schon erwähnten Rabatt-Modelle ist man hier dann durchaus in einem vergleichbaren Rahmen.

Wer sein vorhandenes Tasten-Instrumentarium in unkomplizierter Weise mit einer solchen Soundlibrary bereichern möchte, der kann mit XinematiX ebenfalls sehr glücklich werden. Ich hatte die App schnell in die Soundverwaltung meiner Orgel eingefügt und konnte dann bequem auf die Multis in XinematiX zugreifen und diese in meine Registrierungen mit einbinden. Hier nochmal mein persönlicher Wunsch: macht die App doch auch multimode-fähig, das wäre ein Traum, wenn man die drei Einzelsoundbereiche auch individuell über MIDI ansprechen bzw. auch auswählen könnte. 

 

 

Ein besonderes Schmankerl der XinematiX App ist das sog. Hermode Tuning. Auf diese Funktion hat man über das runde Feld in der Mitte der App stets direkten Zugriff. Nochmal kurz erklärt, wofür Hermode Tuning steht: Hermode Tuning korrigiert die Stimmung der gespielten Harmonien automatisch während des Spielens. Um saubere Frequenzen für alle Quint- und Terzintervalle in allen Akkord- und Intervall-Folgen zu erzeugen, würden unsere Instrumente eigentlich deutlich mehr als 12 Tasten pro Oktave benötigen. Hermode Tuning setzt hier an und hält das Tonhöhenverhältnis zwischen Tonarten und Noten aufrecht, in dem es die einzelnen Noten in Echtzeit korrigiert, woraus ein hoher Grad an harmonischer Reinheit resultiert. Die Frequenzkorrektur basiert dabei auf der Analyse der gespielten Akkordstrukturen. Hermode Tuning passt sich also ständig an den aktuellen musikalischen Inhalt an und stimmt Quinten und Terzen auf ideale, möglichst reine Frequenzverhältnisse. Wer hier tiefer einsteigen möchte: Auf www.hermode.com gibt es detaillierte Erläuterungen und auch viele Audio-Beispiele. Aber man kann diese Technik bzw. ihr Wirken eben auch in der XinematiX App erleben. Tippt man auf den Kreis in der Mitte, so erscheinen zwei Funktionsbereiche zum Thema Stimmung: im oberen Bereich des Kreises können wir die Gesamtstimmung der App verändern, um sie z.B. an andere Instrumente, mit denen wir zusammenspielen möchten, anzupassen. 

Im unteren Bereich finden wir die Hermode Tuning Parameter. Die Intensität, mit der Hermode Tuning „zupackt“ und die Intervalle anpasst, kann hier zwischen 100% (maximale Reinheit der Terz- und Quint-Intervalle) bis 0% (temperierte Stimmung, kein Hermode Tuning) in mehreren Stufen dosiert werden. Zusätzlich können auch natürliche Septimen (beim Spiel von Sept-Akkorden) hinzudosiert werden. Die Anleitung zur App gibt einige Beispiele für passende Einstellungen zum Hermode Tuning. Ansonsten gilt: einfach ausprobieren und hören. Die Wirkung ist durchaus frappierend, aber je nach Spielsituation (Kombination z.B. mit anderen, nicht hermode-tuning-fähigen Tonerzeugern) muss man probieren bzw. das Hermode Tuning auch ganz deaktivieren, um störende Dissonanzen zu vermeiden. Für das Spiel gerade der vielen Orchester-Klänge in der App aber ist Hermode Tuning auf jeden Fall eine wertvolle Bereicherung! Übrigens zeigen mehr oder weniger lange blaue Balken auf den jeweils gespielten Tasten in der virtuellen Tastatur der App sogar jeweils den Grad der Korrektur durch den Hermode Tuning Algorithmus an.
Claus Riepe


Wie potent sich ein iPad inzwischen als professioneller Sound-Erzeuger nutzen lässt, das zeigt die XinematiX App mehr als eindrucksvoll! Die Qualität der Klänge steht der großer Desktop-VSTs bzw. Libraries in nichts mehr nach. Dazu kommt die einfache, intuitive Bedienung auf dem Apple Tablet. Die Soundauswahl aus der Feder von Kurt Ader, die für XinematiX zur Verfügung steht, ist üppig und von durchweg hochwertiger Qualität. Gemessen an dem, was man sonst für iPad-Apps ausgibt, ist der Spaß sicher nicht ganz billig, aber im Vergleich zu anderen professionellen Hard- oder Software-Lösungen mit ähnlicher Qualität und Umfang durchaus angemessen. 

 

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